Mai 1936: ein mythisches Datum in Frankreich

Die Volksfront bezeichnet eine Koalition von Linksparteien, die im Mai 1936 in Frankreich die Wahlen gewannen. Die Erinnerung an dieses Ereignis ist jedoch vor allem deshalb so lebendig geblieben, weil es symbolisch für große Arbeitersiege steht. Denn durch die Wahlen galvanisiert, traten die Arbeiter und Arbeiterinnen überall in Streiks, um Lohnerhöhungen und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu fordern. Diese Streiks sind wahre Momente des Feierns und der Emanzipation. Die Arbeiter eignen sich ihre Arbeitsplätze an und tanzen in den Fabriken. Die verängstigten Unternehmer akzeptieren die Forderungen der Arbeiter, denen sie außerdem zum ersten Mal das Recht auf zwei Wochen bezahlten Urlaub gewähren müssen: die "Congés payés".

Der erste Urlaub der Arbeiterklasse

Im Mai 1936 brachen in Frankreich beispiellose Streiks aus.

Zum ersten Mal besetzen Arbeiter die Fabriken unter den verblüfften Augen ihrer Chefs. Die Bewegung breitet sich unter den Händlern, Kellnern, Friseuren und Landwirten aus. Und bald sind es zwei Millionen Streikende, die auf die Straße gehen. In der Atmosphäre eines riesigen Volksfestes werden in den Fabriken Bälle veranstaltet, während zu Akkordeonmusik Kartenspiele improvisiert werden. Sie wurden als "Streikende der Freude" (les grévistes de la joie) bezeichnet und feierten den Sieg der Volksfront, einer Koalition aus linken Parteien, bei den Parlamentswahlen.

Der Aufstieg des Faschismus

Im Oktober 1929 bricht die New Yorker Börse zusammen. Eine schwere Wirtschaftskrise erfasst die Vereinigten Staaten und breitet sich anschließend in Europa aus. Die Demokratien, die als machtlos angesehen werden, werden in Frage gestellt und autoritäre Regime entwickeln sich. Die Gefahr eines neuen Weltkriegs taucht auf.

Im Jahr 1931 wird auch Frankreich getroffen. Die Kaufkraft sinkt drastisch. Eine massive Welle der Arbeitslosigkeit überrollt das Land. Hunderttausende Menschen werden arbeitslos und erhalten keine Sozialleistungen. Die Arbeiterklasse ist besonders betroffen und ihr Lebensstandard sinkt immer weiter. Eine Regierung folgt der anderen, aber die Krise bleibt bestehen. Dann erreicht der Aufstieg des Faschismus das Hexagon (d. h. Frankreich): Die rechtsextremen Bewegungen gewinnen an Stärke. Sie wollen dem instabilen parlamentarischen System ein Ende bereiten und eine starke Macht wiederherstellen.

Die Stavisky-Affäre

Die Stavisky-Affäre entfacht bald ein Feuer und löst eine politische Krise aus, die den Lauf der Geschichte verändern wird. Am 9. Januar 1934 wurde Serge Alexandre Stavisky, ein schwerreicher Betrüger, der wegen Veruntreuung gesucht wurde, in Chamonix tot aufgefunden. Die öffentliche Meinung glaubt nicht an die Selbstmordthese. Hochrangige Politiker, die Komplizen waren, sollen ihn ermordet haben, um ihn zum Schweigen zu bringen. Am 6. Februar griffen die rechtsextremen Ligen den Fall auf und organisierten eine große Demonstration nur wenige Schritte von der Nationalversammlung entfernt, um die Dekadenz der Dritten Republik anzuprangern. Die Versammlung war sehr gewalttätig und es kam zu einem Aufstand, der in den folgenden Tagen zahlreiche Opfer forderte.

Die Wahlkoalition und der Sieg der Linken

Die linken Parteien prangerten einen faschistischen Putschversuch an und organisierten Gegendemonstrationen. Am 12. Februar 1934 schlossen sich kommunistische und sozialistische Aktivisten trotz ihrer politischen Differenzen in einem gemeinsamen Demonstrationszug zusammen. Die bis dahin zerstrittene Linke schloss sich zusammen, um eine Front zu bilden. Der Sozialist Léon Blum, der Kommunist Maurice Thorez und der Radikale Edouard Daladier schmieden ein Wahlbündnis für die Parlamentswahlen im Mai 1936. Gemeinsam wollen sie die Gesellschaft umgestalten. Ihr Slogan "Brot, Frieden, Freiheit": Die Volksfront ist geboren. Am 3. Mai zahlte sich die Einheit aus. Die Volksfront gewann die Wahlen. In der Arbeiterklasse macht sich eine große Hoffnung auf Veränderung breit.

Die Amtseinführung von Léon Blum, dem ersten Sozialisten an der Spitze einer Regierung in Frankreich, kann nicht sofort stattfinden. Es muss einen Monat lang gewartet werden. In dieser Wartezeit brechen spontane Streiks aus, bis das Abkommen von Matignon unterzeichnet wird.

Die großen Streiks von 1936

Am 7. Juni 1936, einen Tag nach seiner Amtseinführung, brachte Léon Blum Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammen, um über die lang erwarteten Sozialreformen zu verhandeln. Am 8. Juni um 1 Uhr nachts wurden die Abkommen von Matignon (les accords de Matignon) unterzeichnet: Die Fortschritte waren beträchtlich. Die Löhne steigen, die Arbeitswoche wird von 48 auf 40 Stunden verkürzt, das Gewerkschaftsrecht wird anerkannt und der erste bezahlte Urlaub wird gewährt. Es ist bald die Zeit der ersten Urlaubsreisen und der Unbeschwertheit einer Klasse, die die Freizeit und den Strand entdeckt.

Doch die Euphorie ist nur von kurzer Dauer. Das Wachstum lässt auf sich warten und die Arbeitslosigkeit nimmt wieder zu. Weniger als ein Jahr nach dem Abkommen von Matignon gerät die Volksfront ins Wanken. Léon Blum findet sich damit ab, eine Pause bei den Reformen einzulegen. Am 21. Juni 1937 wurde er zum Rücktritt gezwungen. Im April 1938, als das Gespenst des Zweiten Weltkriegs über Europa schwebte, bildete Edouard Daladier eine Regierung mit der Rechten. Die Volksfront scheitert, aber die sozialen Fortschritte bleiben bestehen.

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